Experts statement · 9. July 2024

Verändern mit KI, nicht wegen KI

Mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich Freiräume schaffen, die zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit führen. Entscheidend dafür ist ein Prozess, der Motivation für wertschöpfende und kreative Tätigkeiten erzeugt.

Es stellt sich längst nicht mehr die Frage, ob Organisationen KI einsetzen, sondern wie und in welchem Umfang. Viele Prozesse kann die neue Technologie bereits jetzt ersetzen: Monotone Arbeiten wie die Übertragung von Daten oder die Analyse von Gesetzestexten lassen sich bereits jetzt schon völlig automatisieren, im Customer Service führt die KI durch die Telefonhotline und ersetzt dabei wenig kundenfreundliche Standardansagen. Das Marketing kann Produkte noch spezifischer auf Kunden ausrichten, indem KI Interaktionen mit den Kunden nach dem Kauf verbessert. Konnten es sich bisher nur größere Unternehmen mit dem entsprechenden Personalaufwand leisten große Datenmenge auszuwerten, sind so mittlerweile auch kleinere Unternehmen in der Lage, ohne hohe Personalkosten ihren Datenschatz individuell zu heben, zu analysieren und auszuwerten. Ausschlaggebend für die erfolgreiche Prozessoptimierung mit KI ist, dass Unternehmen sich nicht wegen KI verändern, sondern mit KI. Was bedeutet dies für die Wettbewerbsfähigkeit und was gilt es, bei diesem Prozess zu beachten?

KI wird Menschen nicht ersetzen, sondern neue Freiräume schaffen

Zunächst: KI wird Menschen nicht ersetzen können. Sie kann im Internet, wie in einer guten Bibliothek, nur auf bestehendes Wissen zugreifen und dieses verwenden. Vergleichbar mit einem guten Bibliothekar ist die neue Technologie bei der richtigen Fragestellung zusätzlich in der Lage, Querverweise zu finden und Interpretationen durchzuführen. KI kann beispielsweise klassische Ingenieursberechnungen in Konstruktionsprozessen übernehmen. Allerdings müssen hierzu die Anwender ihre Anforderungen interpretationsfrei und KI geeignet formulieren. Jedoch werden Menschen auch weiterhin die Qualitätssicherung übernehmen und das Ergebnis prüfen müssen. Ein weiterer Bereich, den KI in seiner Fülle (noch) nicht übernehmen kann, ist echte Kreativität. Diese ist derartig komplex, dass sie noch nicht vollständig erforscht ist. Auch hier ist und bleibt der Mensch gefragt. Umgekehrt gilt: Menschen lassen sich nicht so trainieren, dass sie nur digital funktionieren. Zu einer menschlichen Interaktion gehören Physis, Haltung etc. Aber neue Technologien wie die KI lassen sich dazu nutzen, um mehr Raum für das analoge Arbeiten zu erhalten, damit wir unseren natürlichen Interaktionsmechanismen nachkommen können. Das bedeutet mehr Zeit für wichtige Gespräche mit Mitarbeitern, Kollegen, Kunden oder Patienten.

Indem KI immer weitere automatisierbare Arbeiten übernehmen wird, ergeben sich gleichsam Freiräume für Tätigkeiten, die nur Menschen ausüben können. Das gilt es gezielt zu nutzen: Um Kreativität auszuschöpfen und wichtige Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Kernprozesse definieren

Die wertschöpfende Einführung von KI bedingt, dass eine klare Unternehmensstrategie definiert wird. Und zwar vor der Nutzung von dezentralisierten und nicht untereinander abgestimmten Insellösungen. Nur so lassen sich sinnvoll Toolchains und Wertströme der Organisation definieren und etablieren. In diesem Zusammenhang sollte sich jedes Unternehmen bewusst machen, was seine Kernprozesse sind. Wo fällt ein hoher zeitlicher Aufwand an? Was dient dem Kunden? Welche Datenvolumen liegen vor, wo und was davon kann KI sinnvoll interpretieren? Wo fehlen Daten? Wo kann KI bei wenig wertschöpfenden Prozessen unterstützen? Wo können KI-Tools Aufgaben übernehmen? Und wo kann KI eine wertvolle Zuarbeit liefern, die durch Menschen interpretiert wird.

Selbstverständlich müssen sich Unternehmen in diesem Rahmen auch mit rechtlichen Themen wie der DSGVO auseinandersetzen. Sie müssen sich klar darüber sein, mit welchen Daten eine KI „gefüttert“ werden darf und welche KI-Tools, für welche Zwecke genutzt werden dürfen. Dazu gilt es einheitliche und vor allem sauber kommunizierte Vorgaben und Guidelines aufzusetzen.

Wandel erfolgreich begleiten

Mit KI werden sich Unternehmen verändern (müssen). Parallel dazu wird sowohl ein Wandel in der Unternehmenskultur wie auch in der Arbeitsweise entstehen. Um diese Transformation erfolgreich zu begleiten und kreativ in der Wertschöpfung zu werden, braucht es ein individuelles Konzept. Ein Beispiel: In einem Bereich wie der Buchhaltung kann KI viele Prozesse automatisieren. Dadurch entstehen freiwerdende Kapazitäten bei den Mitarbeitern. Entscheidend ist nun, wie führe ich diese Menschen? Und wie kann ich die Mitarbeiter befähigen, ihre Kreativität zu nutzen, um einen Wettbewerbsvorteil für mein Unternehmen zu erreichen? Wie kann ich meine Organisation darin unterstützen, sich zu ändern und kreativ und konzeptionell Wettbewerbsvorteile zu erlangen.

Es wird nicht darum gehen, Menschen zu rationalisieren, sondern Motivation für kreative und wertschöpfende Tätigkeiten zu schaffen. Denn es ist nicht die Frage ob, sondern wann KI flächendeckend zum Einsatz kommt. Dies bedeutet aber auch, dass der alleinige Einsatz von KI keinen Wettbewerbsvorteil mehr bringt. Vielmehr gilt es, die Mitarbeiter so zu qualifizieren, dass sie die freigewordenen Kapazitäten nutzen, um den entscheidenden Schritt vor dem Wettbewerb bewirken zu können.

Wir sollten die vielfältigen Möglichkeiten der KI also gezielt einsetzen, damit sie automatisierbare Arbeiten übernimmt. Nur so lassen sich die wertschöpfenden Tätigkeiten und die Kreativität im Unternehmen steigern, den Fokus bewusst auf den Kunden legen und als Unternehmen zukunftsfähig zu bleiben.

Menschen lassen sich nicht so trainieren, dass sie nur digital funktionieren. Zu einer menschlichen Interaktion gehören Physis, Haltung etc. Aber neue Technologien wie die KI lassen sich dazu nutzen, um mehr Raum für das analoge Arbeiten zu erhalten, damit wir unseren natürlichen Interaktionsmechanismen nachkommen können. Das bedeutet mehr Zeit für wichtige Gespräche mit Mitarbeitern, Kollegen, Kunden oder Patienten.

Martin Seyfarth
Management consultant organisational development, trainer
Liebich & Partner

Verfasst von:

Martin Seyfarth
Management consultant organisational development, trainer
Liebich & Partner

For his clients, Martin Seyfarth transfers the future working world into reality, reliably and securely. As a thought leader he combines tools such as AI …

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