Article · 17. October 2024

Krisenmanagement: für viele Unternehmen geht es heute schlicht und ergreifend ums Ganze

Gebrauchsgrafik: Die Phasen der Unternehmenskrise Foto: Industrie- und Handelskammer Regensburg für Oberpfalz / Kelheim
Multiple Herausforderungen

Viele Unternehmen und Unternehmer setzen aktuell all ihre Ressourcen ein und gehen vielfach über ihre Belastungsgrenze hinaus, um die aktuelle Multikrise zu meistern. Doch wie gelingt der Ausstieg aus dem Krisenmodus hin zu überlegten und einem der Krisensituation angepassten Agieren?

Vor dieser Summe an Krisen stehen heute alle Unternehmen: Deglobalisierung, Dekarbonisierung, demographischer Wandel und Digitalisierung. Sie erschweren es Unternehmen und Organisationen, sich erfolgreich in den Märkten zu behaupten. Hinzu kommen branchenspezifische Herausforderungen, die das Management beeinträchtigen und zuletzt die Arbeitsplatzsicherheit gefährden können.

Charakteristisch ist, dass Krisen in der Regel ein hohes Maß an Unsicherheit mit sich bringen. Insbesondere Industrieunternehmen kämpfen bereits mit einer veritablen strategischen bzw. strukturellen Krise. Die Anforderungen zu reagieren steigen weiter massiv an. Anstatt zu erstarren und im Status quo zu verharren, ist es jedoch unerlässlich zu handeln. Wenn Krisen eintreten, dann kommt es darauf an, sie adäquat zu managen. Es gilt, als Erstes die neue Realität zu akzeptieren und den aktuell noch bestehenden Handlungsspielraum aktiv zu nutzen! Sonst ist ein Abgleiten in die Rentabilitäts- und Ertragskrise sicher. Aber: In jeder Krise stecken immer auch neue Chancen.

Zielgerichtetes Krisenmanagement

Zunächst muss das „Notwendige“ getan werden: Prozesse verschlanken oder herunterfahren, Kosten reduzieren, das Unternehmen in diesem Modus fortführen. Oftmals handelt es sich um ein „Fahren auf Sicht“ ohne zuverlässige Fakten und Pläne. Essenziell ist es, sich in dieser Phase Zeit zu nehmen und die eigene Situation realistisch zu reflektieren, um nicht im Krisenmodus stecken zu bleiben. Zu wissen:

  1. wer man ist,
  2. welche Kernkompetenzen das Unternehmen hat und
  3. wo man sich strategisch hin entwickeln will,

zahlt sich langfristig aus. In Krisensituationen stehen Führungskräfte unter besonderer Beobachtung der Mitarbeitenden. Entscheidend ist es, dass die Führungskräfte sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sich souverän verhalten. Es ist wichtig, dass sie den verunsicherten Mitarbeitenden Halt und Orientierung geben und Zuversicht ausstrahlen. Es wird von ihnen erwartet, dass sie den Kurs vorgeben und Prioritäten setzen. Authentisch und proaktiv. Kommunikation und Motivation gehören zu ihren wichtigsten Aufgaben, um Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen und Veränderungen gemeinschaftlich erfolgreich umzusetzen.

Interne Bestandsaufnahme und Optimierung

Eine interne Bestandsaufnahme für alle Unternehmensbereiche und -felder muss erfolgen:

  • Welche Strukturen und Prozesse lassen sich optimieren? Welches Potential lässt sich durch Digitalisierung, Automatisierung oder auch mit dem Einsatz von Robotik heben? Und welche Auswirkungen hat all dies auf den wirtschaftlichen Erfolg, die Unternehmenskultur und die Unternehmenszukunft?
  • Märkte und Produkte: Welche Produkte und Dienstleistungen lassen sich auf Basis der bisherigen Kompetenzen, aber auch auf angrenzenden neuen Geschäftsfeldern entwickeln?
  • Strategische Neuausrichtung: Zeigt sich, dass ein struktureller Umbau notwendig ist, gilt es, eine strategische Einheit als Bereich oder sogar ein neues Unternehmen zu schaffen.
  • Agile Managementmethoden: Das bedeutet, Mitarbeitende kreativ werden zu lassen und diese Aktivitäten ergebnisorientiert über agile Projektmanagement-Methoden zu steuern – kleinen Schritte mit schnellen Erfolgen!
  • Innovationskultur: Innovationen entstehen nur in einem Klima von Freiheit, Fehlertoleranz, intensivem Kundenkontakt und innovativem Potenzial von Menschen – dafür müssen die Voraussetzungen und Freiräume geschaffen werden.

 

Wichtig ist es, mutig, schnell und entschlossen zu handeln. Dinge zu versuchen und bei neuen Erkenntnissen, die Richtung ggf. zu korrigieren. Oftmals bleibt es nicht nur bei einer Veränderung, sondern es hilft nur eine Reorganisation, ein mutiger unternehmerischer Umbau! Eine strategische Neuausrichtung ist langfristig angelegt. Unserer Erfahrung nach dauert es bis zu fünf Jahren, ein Unternehmen von Grund auf neu auszurichten und zu etablieren. Insbesondere branchenübergreifende Erfahrung und ein externer Blick geben Orientierung und helfen an dieser Stelle, sich neu zu sortieren und nachhaltig neu auszurichten.

Kernkompetenzen, neue Märkte und Innovationen

Unternehmen müssen sich darüber klar werden, wo ihre Kernkompetenzen liegen:

  • Was können sie?
  • Wie ist die Nachfrage, der Bedarf in den Märkten?
  • Was macht sie einzigartig?
  • Wo sind neue potenzielle, zukunftsträchtige Marktfelder? Und, wie kommen sie dahin?
  • Wo liegen die (zukünftigen) Wünsche bzw. Bedarfe der Kunden? Wo lassen sich neue Geschäftsfelder erschließen bzw. neu aufbauen?
  • Welche Produkte und Dienstleistungen sind auch für andere Branchen nutzbar?
  • Vielleicht liegen Kompetenzen des Unternehmens auch in anderen Leistungsangeboten wie beispielsweise im Service?
  • Wie zukunftsfähig ist der aktuelle Produktionsstandort und welche Optionen gibt es, die zu mehr Stabilität und Unabhängigkeit führen?
  • Hat beispielsweise eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa Sinn?

 

Krisenmanagement erfordert nicht nur eine realistische Einschätzung der aktuellen Lage, sondern auch den Mut und die Entschlossenheit, neue Wege zu gehen. Unternehmen, die ihre Kernkompetenzen stärken, Innovationen fördern und strukturelle Anpassungen vornehmen, haben die besten Chancen, gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Entscheidend ist dabei eine klare, authentische Kommunikation und eine Führung, die ihre Verantwortung annimmt, Mitarbeiter motiviert und den Wandel aktiv vorantreibt. Wer dies umsetzt, kann den Herausforderungen der Zukunft erfolgreich begegnen und die in jeder Krise liegenden Chancen nutzen.

Mutige Entscheider, Führungskompetenz und klare Kommunikation

Man sollte sich bewusst sein, dass für diesen oftmals existenziellen und so sehr entscheidenden Prozess auch viel Kraft eingeplant werden muss. Zielführend ist es, hier in gezielten Schritten vorzugehen. Schließlich geht es um die Zukunft des Unternehmens. Dafür braucht es mutige und souveräne Führungspersönlichkeiten — im besten Sinne „Unternehmer“ — die sich mit dem Thema auseinandersetzen, nach vorne schauen, Entscheidungen treffen und einen komplexen Umbau auch verantworten wollen und können. Sie müssen die Weichen stellen, Neuland betreten, neue Ideen zulassen, umsetzen sowie Altes loslassen. Zugleich braucht es eine Technologieoffenheit und den Willen zu Innovationen. Die Chancen, die in Automatisierung, dem Einsatz von Robotern und KI liegen, müssen erkannt und genutzt werden.

Ein Schlüssel für erfolgreiches Agieren ist die Führungskompetenz des Managements. Hier gilt es anzusetzen:

  • Sind alle Positionen im Unternehmen mit den richtigen Menschen und Kompetenzen für die Gestaltung der Unternehmenszukunft besetzt?
  • Sinnvoll ist es, neue Köpfe ins Haus zu holen, die zukunftsfähige neue Produkte und innovative Dienstleistungen kreieren können, in denen die Potentiale der Zukunft stecken
  • Wichtig ist es, konsequent Talente im Unternehmen zu entwickeln, indem ihnen Kompetenz und Verantwortung übertragen wird – dann kommen auch Ergebnisse!
  • In der Folge heißt das aber auch: Von „Schlechtleistern“ und Menschen, die nicht mitziehen oder sich gegen Veränderungen/ Fortschritte sperren und somit Erfolge verhindern, sollten alternative Lösungen gefunden werden.
  • In der Krise wird ein positives Mindset im Unternehmen gebraucht, das von über alle Hierarchien vorgelebt und über gute Kommunikation der Führungspersönlichkeiten gefestigt wird.

 

Genau diese Talente gilt es zu finden, zu begeistern und ins Unternehmen zu holen. Um mit dem richtigen Führungsteam — am besten einer gesunden Mischung aus „alt und jung“ — die Chancen zu nutzen, die in jeder Krise stecken. Eines ist klar: Nur mit mutigen Entscheidungen, Zuversicht und kompetenten Menschen lassen sich Unternehmenskrisen meistern. Das haben Unternehmen und Unternehmer in Deutschland schon immer bewiesen!

 

Bezogen auf die aktuelle Krise der deutschen Unternehmen, befindet sich die heimische Wirtschaft überwiegend in der Phase der strategischen bzw. strukturellen Krise – hier einige Beispiel dazu:

Energiekosten: Seit vielen Jahrzehnten müssen Erdöl, Gas und Kohle importiert werden. Aufgrund der günstigen Kosten wurde die Unabhängigkeit nicht konsequent vorangetrieben. So begann man z.B. mit der Entwicklung der Wasserstofftechnologie, aber führte dies nicht zielgerichtet weiter.
Lohnkosten: Dass man in Europa das Lohnniveau von Drittländern nicht halten kann, ist seit Jahren klar. Allerdings gilt es jetzt die Chance zu ergreifen, die Möglichkeiten der Automatisierung folgerichtig umzusetzen und dazu neue Technologien wie AI/KI als Treiber zu nutzen.
Lohnkosten: Dass man in Europa das Lohnniveau von Drittländern nicht halten kann, ist seit Jahren klar. Allerdings gilt es jetzt die Chance zu ergreifen, die Möglichkeiten der Automatisierung folgerichtig umzusetzen und dazu neue Technologien wie AI/KI als Treiber zu nutzen.
Demografie: Es ist seit langem klar, dass mit dem Ausscheiden der Babyboomer ein Loch an Kompetenzen entsteht, das nicht einfach durch die nachrückenden Jahrgänge gefüllt werden kann. Dem lässt sich aktiv nur durch Wissensmanagement sowie der zielgerichteten Automatisierung und Digitalisierung begegnen.
Arbeitskräftemangel: Diesen können Unternehmen zwar mit Forcierung der Automatisierung abfedern, müssen dazu aber parallel in Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden im eigenen Unternehmen investieren, um die Kernkompetenzen für die Zukunft abzusichern. Eine kluge Integration von qualifizierten Zuwanderern ist dafür ebenso ein sinnvoller Weg.
Verwaltung: Auch in den Unternehmen gibt es noch erhebliches Rationalisierungspotenzial in den kaufmännischen und den Verwaltungsbereichen und Möglichkeiten, das eigene Unternehmen so weit wie möglich zu entbürokratisieren.

Verfasst von:

Steffen Hilser
Board member, partner, management consultant
Liebich & Partner

A strategy consultant with a spotlight on implementation, Steffen Hilser convinces people to accept solutions and enable change, achieving crucial progress with long lasting economic …

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Günter Walter
Board member, partner, HR consultant
Liebich & Partner

In his consulting career so far, Günter Walter has filled a total of 250 executive positions. He advises those responsible for recruitment on how to …

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